Wie schnell die Zeit vergeht.
Gerade war ich noch in Deutschland und dann ging es auf nach Malaysia und jetzt?! Jetzt sitze ich wieder in Deutschland und frage mich, wie schnell die Zeit vergangen ist.
Alles fing damit an, dass ich raus aus Deutschland wollte. Ich wollte was erleben. Mich hat einfach das Reisefieber gepackt und schon ging es los mit den ersten Planungen. Wo will ich hin? Wie mache ich das mit der Schule? Was wird aus meinen Freunden und meiner Familie? Will ich wirklich ein ganzes Jahr weg? Zuerst wollte ich nach Australien, aber das konnte ich mir nicht leisten, also musste ich mir etwas aus meiner Preisklasse aussuchen. Schnell wurde mir klar, dass es viele interessante Länder gibt, die in Frage kämen, weswegen mir die Wahl nicht leicht viel. Wenn mich andere nach meinem Auslandsschuljahr fragen und hören, dass ich in Malaysia war, gucken die meisten erstmal dumm aus der Wäsche. MALAYSIA??? Wie bist du denn darauf gekommen? Darauf antworte ich meistens, dass ich eine ganz andere Kultur kennen lernen wollte, andere Menschen, eine neue Religion, etc., was ja auch alles stimmt, nur dass ich letztes Jahr ehrlich gesagt gar nicht im geringsten wusste, worauf ich mich da einlasse und generell wusste ich sehr wenig über Malaysia. Das meiste habe ich dann durch Mundpropaganda erfahren, bevor mein Abenteuer dann begann.
Ich muss dazu sagen, dass Malaysia ein wunderschönes Land ist. Klar - zum Urlaub machen, da in Malaysia einfach das Paradies ist, aber auch von der Bevölkerung her. Die Menschen sind super gastfreundlich und haben ein sehr großes Herz. Die Familie und der Familienzusammenhalt ist auf jeden Fall eins der wichtigsten Dinge in Malaysia. Die Religion spielt allerdings die größte Rolle. Die Malaien, aber auch die Inder und Chinesen sind sehr gläubig. Es ist wirklich interessant mit zu erleben, wie sie ihren Alltag bewerkstelligen.
Als ich vor ein paar Wochen wieder gekommen bin, meinten viele meiner Freunde, dass ich mich total verändert hätte, was ich überhaupt nicht glauben konnte. Sie meinten, dass es scheint als ob mir andere Sachen jetzt wichtiger wären und dass ich reifer geworden bin. Im Großen und Ganzen würde ich schon sagen, dass ich mich verändert habe, aber nicht mehr als andere auch in diesem Jahr. Meine Eltern und Freunde sehen das natürlich ganz anders.
Was auch immer wieder viele erleben ist, dass sich der Freundeskreis, den man hatte bevor man ins Ausland ging oftmals auflöst wenn sie aus dem Ausland wieder kommen und dann mit anderen Personen abhängen. Davor hatte ich Angst. Ich hatte Angst, meine Freunde zu verlieren, aber ich kann euch sagen, dass ich noch genauso gut mit ihnen befreundet bin, wie vorher. Und es kommt noch besser: Ich habe neue Freunde gefunden. Jetzt habe ich Freunde in der ganzen Welt. Das ist das schöne an diesem Auslandsjahr. Ich werde es nie vergessen. Die Freunde, die man dort gewinnt, sind Freunde für das ganze Leben.
Kurz nachdem ich wieder kam besuchte mich eine Freundin aus Alaska für 4 Wochen. Eine der wichtigsten Lehren die ich daraus gewonnen habe, ist der Wunsch immer wieder neue Menschen kennen zu lernen. Egal aus welchem Land, welcher Konfession, welcher Hautfarbe und allen immer Wertfrei zu begegnen. Deswegen freue ich mich auch schon auf die Austauschschülerin aus Thailand, die ab September für ein Jahr bei uns leben wird.
Bevor ich nach Malaysia ging, konnte ich nicht verstehen, was andere Leute an Deutschland finden. Für mich war es hier langweilig. Ich wollte immer in den Süden, wo es warm ist. Doch in Malaysia wurde mir bewusst, wie gut es mir in meinem Heimatland geht. Mir wurde klar, dass Deutschland ein wohlhabendes Land ist und man als Mädchen sehr viele Freiheiten hat. Egal welcher Religion man angehört. Selbst die Moslems in Deutschland leben ihr Leben offener und liberaler, als die Moslems in Malaysia. In meiner Gastfamilie konnte ich nicht so offen über Probleme reden, wie bei mir zu Hause. Auch Wünsche durfte ich nicht äußern. Wünsche zu äußern empfanden meine Gasteltern als respektlos. Alle meine Diplomatischen Fähigkeiten, um zu einem Ziel zu kommen wurden von mir abverlangt, was bedeutet immer um den heißen Brei herum zu reden. Ich konnte keinen Kompromiss eingehen oder diskutieren. Am erfolgreichsten waren meine Bemühungen, wenn es mir gelungen ist, die Erwachsenen dazu zu bringen, mir genau das vorzuschlagen, was ich eigentlich wollte.
Letztes Jahr habe ich mir gar nicht großartig Gedanken über Freundschaft und deren Stellenwert gemacht. Freundschaft war für mich Freundschaft. Es gab Bekannte, gute Freunde und beste Freunde. Zu Anfang war es eine schmerzhafte Erfahrung erleben zu müssen, dass in Malaysia Freundschaft sehr viel oberflächlicher gehandhabt wird. So ist zum Beispiel eine Verabredung (see you tomorrow) nicht wirklich so gemeint, wie ausgesprochen, allenfalls eine Höflichkeitsfloskel.
Die Unterdrückung der Frauen hat mir am meisten zu schaffen gemacht und mich gestört. Mir ist Heute ganz deutlich bewusst, was für ein Glück ich habe in unserer westlichen Kultur aufwachsen zu dürfen und mich nicht diesen muslimischen Regeln unterwerfen zu müssen. Auch das alleinige denken wird den Jugendlichen in meinem Alter in Malaysia verwehrt. Eine eigene Meinung zu haben wird nicht nur nicht gefördert, sondern ist auch unerwünscht. Sie würden deshalb niemals etwas anderes gegen die Entscheidungen ihrer Eltern sagen. Sei es in der Schule oder Privat. Trotzdem bin ich froh, diese Erfahrung gemacht zu haben und deswegen würde ich jeden der die Möglichkeit hat unbedingt dazu raten ein Auslandsschuljahr zu machen.